Rituale

Featured Image

Hier haben wir ein paar kleine Beispiele für Trauerrituale zusammengestellt, die gut im privaten Rahmen umsetzbar sind

In der Trauerzeit sind Rituale ein wichtiger und haltgebender Helfer. Die eigene Trauer erhält einen Rahmen, sie darf gelebt und in etwas Schönes verwandelt werden. Der Mensch, den wir verloren haben, wird während des Rituals sehr präsent, wir fühlen uns ihm sehr nahe. Und wir können unseren Schmerz durch ein Ritual auch mit schönen Gefühlen in Verbindung bringen. Das hilft vielen Trauernden sehr. Viele Rituale sind so selbstverständlich, dass wir sie gar nicht mehr als Solche wahrnehmen: Die Trauerfeier, die Lieder, das Aufstellen von Kerzen, das Aufstellen von Blumen und Kerzen an einer Unfallstelle usw. Es gibt darüber hinaus noch weitere, sehr hilfreiche Rituale, die ich nun vorstellen möchte. Im Folgenden nennen wir einige mögliche Rituale, die aber nach Belieben verwandelt und miteinander kombiniert werden können.

Trauergruppen oder Trauerbegleiter*innen haben eine große Auswahl an passenden Ritualen. Der Anschluss an Trauergruppen ist durch die Gruppendynamik besonders wirkungsvoll und sehr empfehlenswert.  Eine Liste mit Organisationen finden Sie unter „Links“.

Trauerfeier / Beerdigung

Aus einem Korb mit kleinen Holzherzchen, Holzsternen oder kleinen Steinen darf sich jeder Gast ein Teil nehmen und dieses während der Trauerfeier in den Händen halten. Im Stillen können die Gedanken oder vielleicht Wünsche des Gastes an den Verstorbenen auf dieses Symbole gesprochen werden.

Der (Abschieds-) Brief **

In einem an den verstorbenen gerichteten Brief kann alles ausgedrückt werden. Alle Gefühle haben Raum. Es darf alles aus der Hand aufs Papier fließen, was in uns ist. Auch Fragen, Ungeklärtes, eine Entschuldigung, ja sogar die Frage: Warum hast du mich allein gelassen hat eine Berechtigung und darf aufgeschrieben werden. Dieser Brief kann entweder verwahrt werden und währen der Trauerzeit immer wieder gelesen und ergänzt werden. Er kann dem Verstorbenen am Grab vorgelsen werden, er kann am Grab verbleiben, er kann verbrannt werden, im Meer versenkt, in einer Flaschenpost ins Meer geworfen, an einem Ballon in den Himmel geschickt oder irgendwo vergraben werden. Wer sich für das Vergraben entscheidet, kann, wenn er möchte, eine Pflanze oben drauf pflanzen.

Einen Ballon steigen lassen **

Gerade für Kinder ist es ein wichtiges Ritual, einen Ballon in den Himmel zu schicken. An der Schnur wird eine Karte mit einer Botschaft befestigt, die jeder Trauernde ganz individuell gestalten kann. Was will ich dem Verstorbenen noch mitteilen? Wenn der Ballon in den Himmel steigt, dann können die Hinterbliebenen sich vorstellen, wie die Botschaft ankommt.

Für mehrere Personen z. B. an Jahrestagen *

An Geburtstagen, Jahrestagen oder beispielsweise Weihnachtsfeiertagen können sich die Familienmitglieder versammeln. Der Tisch ist festlich gedeckt und darauf befindet sich eine angezündete Kerze.  Ein Symbol, z. B. ein sogenannter Handschmeichler (kleines Holzherz oder ein bemalter Stein) wird herumgereicht. Jeder, der das Symbole in den Händen hält, kann etwas über den Verstorbenen erzählen (was verbindet? Was mochte er/sie besonders an ihm/ihr). Es braucht dafür kein Regelwerk erstellt werden. Wenn eine Person in der Runde eine heitere Anekdote hat, kann ein befreiendes Lachen dem Prozess hilfreich sein.

Geburtstag der/s Verstorbenen *

An dem Geburtstag der/s Verstorbenen werden Gäste einladen. Auch hier kann eine große Kerze in die Mitte des Tischs gestellt werden. Gemeinsam kann an den Verstorbenen erinnert und erzählt werden.

Ein Beispiel aus den Sozialen Netzwerken:

„Liebe Mama,
Heute wäre dein 59. Geburtstag. Ich hätte dir deine Lieblings-Bodylotion mit Kokosduft gekauft und einen schönen Frühlingsstrauß binden lassen, doch das geht nicht mehr. Du bist jetzt seit einem halben Jahr nicht mehr bei uns und es fühlt sich immer noch surreal und schmerzhaft an. Ich werde jedes Jahr an deinem Geburtstag einen Kuchen backen und Freunde oder Familie einladen, um diesen Tag so zu feiern, wie du es dir immer gewünscht hast. Mit viel Humor, leckeren Sachen und ganz viel Kaffee. Ich vermisse dich!!

Lieblingsorte besuchen *

Am Geburtstag oder anderen Jahrestagen den Ort aufsuchen, der vorher sehr gerne mit dem Verstorbenen besucht wurde. Es kann sich ein heilsames Ritual daraus entwickeln, wenn sich der Trauernde ganz auf diesen Ort und auf einen „Dialog“ mit dem Verstorbenen einlässt.

Bemalte Steine **

Das Bemalen von Steinen (z.B. Mit Acryl-Farbe) verwandelt Gefühle in einen kreativen Ausdruck und verewigt etwas Inneres im Außen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Alles darf gemalt werden. Auf die Steine kann auch etwas geschrieben werden oder Symbole aufgemalt werden. Am besten ist es, die Steine nach dem Bemalen mit Farblosem wetterfesten Lack zu besprühen. Danach brauchen die Steine einen Platz. Der Eine mag sie gerne bei sich in der Wohnung oder im eigenen Garten platzieren, der andere am Grab oder an einem Ort, der uns mit dem Verstorbenen verbindet. Eine zusätzliche Verbindung stellen sogenannte Zwillings-Steine her. Es werden dabei zwei ähnliche oder identische Steine gemalt. Einer verbleibt beim Trauernden, einer wird am Grab des Verstorbenen platziert. (Bei einer Seebestattung kann der Stein ins Meer geworfen oder an einem bestimmten Ort abgelegt werden.)

Einen Erinnerungsbaum pflanzen **

Ein Baum (die Sorte ist unwichtig) wird an einem Wunschort eingepflanzt. In das Pflanzloch kann entweder ein Foto des Verstorbenen, ein Brief an ihn, oder ein persönlicher Gegenstand hinein gelegt werden. Die Wurzeln des Baumes umschließen das, was in die Erde gelegt wurde. Bei jedem Besuch des Baumes und bei jedem Gießen nimmt der Trauernde Kontakt zum Verstorbenen auf, erinnert sich oder erzählt dem Baum etwas, was er loswerden möchte. Eine Abwandlung vom Baum pflanzen ist es, den Baum täglich mit etwas zu behängen. Kleine Kugeln in verschiedenen Farben, oder bunte Bänder. Je voller der Baum wird, desto weiter ist der Trauernde in seiner Trauer. Desto mehr hat er es geschafft, die Erinnerungen sichtbar zu machen. Eine zweite Abwandlung ist es, täglich oder wöchentlich einen bemalten oder beschriebenen Stein zum Baum (oder auch zum Grab) zu tragen und auf den Wurzelbereich zu legen. Aus den Steinen kann man ein Herz oder einen Kreis und sogar einen Buchstaben formen. Je weiter der Baum wächst (oder die Ansammlung der Bänder und Steine), umso mehr werden Gefühle aus dem Inneren nach außen sichtbar gemacht.

Tagebuch schreiben **

Ein Trauertagebuch ist ein dankbarer Zuhörer. Alles darf dort hinein geschrieben werden. Das Schöne daran: Der Trauernde kann immer mal wieder zurück blicken und sehen, wie sich die Trauer verändert hat. Auch die verschiedenen Phasen der Trauer werden sich darin abspiegeln. Es hilft der Verarbeitung und gibt gleichzeitig Raum im Alltag zum Trauern.

Malen oder schreiben

Die Trauer, den Verlust oder das gemeinsame Leben zu „beschreiben“ oder zu malen, kann ebenfalls den Trauerprozess sehr unterstützen.

Fotoalbum **

Wer trauert schafft automatisch Erinnerungen. Zum Beispiel über Schmuck mit Gravierungen oder aufgestellte Bilder bekommt der Verstorbene einen Platz in unserem Leben. Die Erinnerung wird lebendig gehalten. Eine Idee ist es, ein Fotoalbum anzulegen mit besonders schönen und wertvollen Erinnerungen. Das können nicht nur Fotos sein, auch Eintrittskarten oder Zeitungsausschnitte von gemeinsam besuchten Events oder Bilder von gemeinsam besuchten Orten können dort Platz finden. Das Anschauen des Albums stellt immer wieder Nähe her. Diese Nähe hilft, irgendwann loslassen zu können und sich neu zu orientieren.

Am Arbeitsplatz

Auch am Arbeitsplatz ist es wichtig dem Trauernden mit Anteilnahme zu begegnen. Den Trauerfall einfach zu ignorieren, verunsichert den Hinterbliebenen.

„Eine Frau, die ihren Mann verloren hatte, wurde nach einer Kur von ihren Kolleginnen warmherzig aufgenommen. In der Kaffeepause erkundigten sie sich alle nach ihrer jetzigen Situation. Als sie Geburtstag hatte, gestalteten ihn die Kolleginnen im Betrieb einfühlsam und fantasievoll: Jede überreichte ihr ein passendes symbolhaftes Geschenk mit einem Wunsch für ihre Zukunft.“ (aus dem Buch „Trauern mit Leib und Seele“ von Klaus Onnasch und Ursula Gast)

In jedem dieser Beispiele bekommt unsere Trauer eine Form, einen Ausdruck, so dass sie zu einem Teil unseres Lebens wird, den wir gestalten und beeinflussen können. Dadurch wird die erlebte Hilflosigkeit reduziert. Wir erleben, dass wir doch etwas tun können. Wir können auf diese Weise den schweren und schmerzhaften Verlust etwas leichter annehmen und verarbeiten.

* Dr. Klaus Onnasch

** Friederike von Bredow, Kiel